Panama ist ein Standort für Unternehmen, die von dort aus den gesamten Markt in Mittel- und Südamerika bearbeiten können. InterGest ist darum seit November 2021 dort präsent. Unser Partner vor Ort, Gregor Vorderwülbecke, hat mit Marco Jänicke, Geschäftsführer der AHK Panama, über das unterschätzte Potenzial Panamas und die Chancen für mittelständische Unternehmen gesprochen.
Herr Jänicke, was sagen Sie, wenn Leuten zu Panama immer zuerst die Papers einfallen?
Schöne Alliteration, entgegne ich dann, aber sachlich leider daneben. Erstens müsste es Offshore-Papers heißen. Zweitens ist ein Fakt: Panama will nicht auf schwarzen Listen stehen und hat deswegen in den vergangenen Jahren beim Thema Transparenz erhebliche Fortschritte gemacht. Und drittens: Das Land hat außer dem Finanzsektor so viel mehr zu bieten. Viertens hat sich Janosch mit “Oh wie schön ist Panama” den passenden und darum auch meist zitierten Reim auf das Land gemacht …
Dennoch schöpfen deutsche Steuerbehörden sofort Verdacht, wenn sie Panama hören und zeigen überdurchschnittliches Interesse an Geschäftskontakten dorthin. Was berichten Ihnen die deutschen Unternehmen vor Ort?
Nun, in Panama bezahlt jedermann natürlich seine gesetzlich vorgeschriebene Steuer. Selbstverständlich spricht ferner nichts gegen eine gründliche Überprüfung in Deutschland. Doch für uns als Exportnation ist es wichtig zu betonen, dass das pure Interesse in den am stärksten wachsenden Markt Lateinamerikas zu investieren eher Ausdruck von Weitsicht und Vorausschau ist, als der Versuch bestimmte Geldtransfers zu verschleiern. Panama hält sich an alle internationalen Abkommen und geht seit einigen Jahren entschieden gegen unlautere Unternehmenskonstruktionen vor. Nichtsdestotrotz müssen deutsche sowie europäische Unternehmen ihre Bilanzen offenlegen und dokumentieren somit, dass keine zweifelhaften Investitionen getätigt wurden. In den sieben Jahren, die ich die Position der Geschäftsführung inne habe, ist mir nicht ein Fall untergekommen, bei der sich ein Verdacht bestätigt hätte!
Wenn Sie die Wirtschaft Panamas kurz beschreiben müssen …
… ist zuallererst die geografische und geopolitische Lage im Herzen der westlichen Hemisphäre zu nennen. Panama ist perfekt verbunden - mit Lateinamerika, aber auch mit Australien, mit Asien, Afrika. Eine ideale Position in globalen Lieferketten! Und es gibt hier nicht nur den Panamakanal. Hier findet sich die zweitgrößte Kupfermine der Welt. In Zeiten des Rohstoffmangels verfügt das Land über abbaufähige Ressourcen an Silber, Gold und Mangan. Der Bergbau wird dieses Jahr wohl schon 8 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitragen, also mehr als Panamakanal selbst. 34 Prozent Wachstum im Bergbau im letzten Jahr, das ist stark. Deutschland ist als Kupferkäufer auf Rang 5. Auf dem ersten liegt, wenig überraschend, China, zu dem übrigens historische Verbindungen bestehen, die älter sind als der Panamakanal. Eine Abhängigkeit ist daraus aber nicht geworden. Die Bindung an die militärische Schutzmacht USA ist entscheidend für Panama. Mit mehr als 6 Prozent wird es schließlich 2022 eine der höchsten Wachstumsraten in Lateinamerika haben.
Wie stabil ist das mittelamerikanische Land Panama?
Panama ist und bleibt eine Oase der Stabilität. Es gibt seit mehr als 30 Jahren geordnete Regierungswechsel. Die Währung ist 1:1 an den US-Dollar gekoppelt. Politische und wirtschaftliche Probleme wie etwa im ebenfalls rohstoffreichen Venezuela kennen wir in Panama aber nicht.
Welche Branchen sollten jetzt als erste bei Ihnen nachfragen, was Unternehmen in Panama bewegen können?
Da will ich erstmal keine Branche ausschließen. Panama - das sind nicht nur die 4,3 Millionen Einwohner. Das Land ist ein globaler Hub. Solange es globalen Handel gibt, wird es Panama gut gehen. Logistik ist darum ein zentrales Thema. Panama hat die beste Infrastruktur auf dem Subkontinent - und das nicht nur wegen des Kanals. Pazifik und Karibik sind auch durch eine moderne Bahnstrecke verbunden, auf die der Güterverkehr umgeladen werden kann. Der Hafen von Colon ist der größte Hafen Lateinamerikas, des Weiteren verfügt die Stadt über die größte Freihandelszone Amerikas direkt an der Karibikeinfahrt des Panamakanals und die zweitgrößte der Welt nach Singapur. Ich war im Sommer mit einer deutschen Delegation in der Colon Free Zone. Wie einfach von dort aus zollfrei alle regionalen Zielmärkte beliefert werden, hat die Teilnehmer schon überrascht.
Welche Unternehmen nutzen Panama denn schon als Hub für Lateinamerika?
Wir haben Siemens Energy, DHL und Bosch hier, die das Land als regionalen Knotenpunkt nutzen. 80 Destinationen kann man von Panama aus mit einem direkten Flug erreichen; neuerdings auch Atlanta in den USA! Panama ist daher ein idealer Standort für überregional arbeitende Vertriebsteams - eine kostengünstige Alternative zu Miami.
Auch das IT-Unternehmen Dell hat Panama für sich entdeckt und seine Lateinamerika-Zentrale hier angesiedelt. Die Informations- und Kommunikationstechnik wächst hier sehr stark, der Sektor trägt bereits 9 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Es gibt Anwaltskanzleien, die ihre weltweiten Büros schon lange vor Covid über Panama perfekt vernetzt haben.
Sind denn für diese Wachstumsfelder genügend Talente und IT-Experten vorhanden?
Panama verfügt nicht nur über eine gute Universitätsausbildung, es ist auch ein sehr junges und offenes Land, ein multikultureller Hotspot. Zudem ist das Land seit Jahren das Ziel gut ausgebildeter Fachkräfte aus Lateinamerika, etwa aus Venezuela und Kolumbien. Aus Deutschland heraus können hier internationale Fachkräfte rekrutiert werden. Dies gilt für IT, Logistik, aber auch den Bereich Pflegepersonal. Als AHK bemühen wir uns, sehr gut ausgebildete Leute nach Deutschland zu vermitteln. In den nächsten Monaten werden wir Interessenten ansprechen und für den deutschen Arbeitsmarkt sprachlich qualifizieren. Dazu kommen auch duale Trainings und Programme, mit denen Talente aus der Region auf die Unternehmen aus Deutschland vorbereitet werden.
Welche Zukunftsfelder gibt es hier noch zu erschließen?
Biodiversität ist ein Ziel, bei dem Panama gemeinsam mit Costa Rica in ganz Mittelamerika führend ist. Nachhaltigkeit wird hier groß geschrieben und Klimaneutralität findet ebenso große Akzeptanz. Es gibt darum eine rege Nachfrage nach Know-how und Greentech aus Deutschland. Es entstehen Kooperationen mit mehreren deutschen Hochschulen. Speziell in der dezentralen Energieversorgung, bei der Optimierung von Klimaanlagen und in der Wasseraufbereitung sehe ich viel Potenzial. Unternehmen, die das für sich erschließen wollen, unterstützen wir gerne.
Herr Jänicke, vielen Dank für dieses aufschlussreiche Interview!